Der Geist der Weisheit und die menschliche Seele
Dieses jüngste Buch des AT wurde vermutlich in den Jahren 80 bis 30 v. Chr. in Alexandria verfasst und spiegelt Erfahrungen wieder, die Diasporajuden in ihrer hellenistisch geprägten Umwelt machen. Der Autor selbst ist Jude, fest verwurzelt in den jüdischen Traditionen und Glaubenslehren; zugleich ist er aber auch geprägt durch seine hellenistische Bildung. Die Entstehung des Buches fällt in eine Zeit, in der Juden durch vom Glauben abgefallene Juden verfolgt wurden. So will das Buch die jüdischen Leser trösten und mahnen, ihren Verfolgern drohen und ihre heidnische Umwelt dafür gewinnen, die jüdische Offenbarungsreligion als Gabe jener Weisheit zu verstehen, die ihnen selbst aus der hellenistischen Philosophie bekannt ist: Mit Weisheit leitet Gott die Schöpfung und Geschichte - und in der Tora kommt sie dem Menschen entgegen. Die jüdische Weisheitstradition ist so ein Brückenschlag zu den Weisheitslehren anderer Völker.
Aus: Martin Wolters, Bibelclouds. Die Bibel anders sehen © Patmos Verlag in der Schwabenverlag AG, Ostfildern 2014, 2. Auflage