Mit dem Ende des Exils in Babel (538 v. Chr.) beginnt für Israel eine Zeit des Wiederaufbaus und des Neuanfangs, der durch den persischen König Kyrus ermöglicht wird. Darin schließt das Buch direkt an das zweite Buch der Chronik an. Äußeres Zeichen ist der Wiederaufbau des Tempels und damit verbunden die Rückführung aller liturgischen Geräte aus Gold und Silber, die seinerzeit vom König von Babel verschleppt worden waren.
So eindeutig steht nur selten ein Wort im Vordergrund: Nachkommen. Durch die genaue Auflistung der Herkunft aller Heimkehrer aus dem Babylonischen Exil soll jeder Zweifel zerstreut werden, wer zum neuen Volk Israel gehört und dass das neue Israel eindeutig in der Tradition und Nachfolge des vorexilischen Israels steht. Außergewöhnlich ist auch der Begriff Gotteshaus als Bezeichnung für den Tempel, der hier außerdem auch als Haus des Herrn, Haus deines Gottes oder auch nur als das Haus bezeichnet wird. Überhaupt wird in diesem Buch eine sehr eigene, oft bürokratisch anmutende Sprache verwendet. Zudem findet sich fast ausschließlich in diesem Buch die Bezeichnung Gebiet jenseits des Stroms als Verweis auf das Gebiet westlich des Eufrat, die westlichen Provinzen.
Auch der nachfolgende persische König Artaxerxes unterstützt die weitere Rückführung Israels und sendet den Schriftgelehrten Esra (»Hilfe«) mit weitreichenden Verfügungen und Privilegien nach Jerusalem. Ab Kapitel 8,21 berichtet dann Esra selbst von den Geschehnissen um die zivilrechtliche und religiöse Neuorganisation Israels. So werden die besonderen Vorschriften, die für Israels Identität im Exil wichtig waren, als religiöse Gesetze für den neuen Staat formuliert: Sabbatruhe für alle, Speisevorschriften, Beschneidung und Verbot von Mischehen. Im Mittelpunkt stehen dabei Mischehen zwischen Rückkehrern und Frauen aus der kanaanäischen Bevölkerung, die im Widerspruch zum Gesetz standen, da sie die Gefahr des Einflusses anderer Götter auf den Glauben Israels bargen.
Das Buch Esra berichtet davon, wie die Israeliten versuchen, sich im Rückgriff auf ihre Traditionen wieder als eine Gemeinschaft zu finden und das politische, theologische und soziale Leben zu organisieren.
Gottes Führung lässt sich auch in Traditionen erkennen und ermöglicht so, Zukunft erfolgreich mitzugestalten. Die Gratwanderung zwischen Treue, Vertrauen und kritischer Reflexion erfordert eine intensive Auseinandersetzung mit Traditionen. Weder eine schnelle Verurteilung noch eine unkritische Pflege von Traditionen sind ausreichend.
[Martin Wolters]
Die Hand unseres Gottes ist zum Guten über allen, die ihn suchen; doch seine Macht und sein Zorn kommen über alle, die ihn verlassen. Esra 8,22
Esra 1,1-11 (Die Erlaubnis zur Heimkehr und zum Tempelbau); Esra 9,5-15 (Esras Bußgebet wegen der Mischehen)
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