Dass es sich hier um ein prophetisches Buch handelt, wird auf einen Blick klar: 123 Mal beginnt Ezechiel (»Gott stärkt«) mit »So spricht Gott, der Herr«, 84 Mal zitiert er einen »Spruch des Herrn«, und 49 Mal »erging das Wort des Herrn an mich«: Ezechiel, den Gott selbst oft als Menschensohn bezeichnet, um so eine klare Distanz zu schaffen, ist ein Sprachrohr Gottes, ein Prophet. Das Wirken Ezechiels fällt in die Zeit des Exils, er selbst ist einer der Deportierten und lebt in Babel. Das Buch Ezechiel beginnt kurz vor der endgültigen Zerstörung Jerusalems und des Tempels, der hier auch als Heiligtum bezeichnet wird. In dieser Zeit warnt Ezechiel die Israeliten und mahnt zur Umkehr. Er hält dem Volk, dem Haus Israel, seine Gräueltaten vor, seine Unzucht und Schuld, das Anbeten von Götzen, und all seine Sünden, die es unrein machen.
Dem Propheten stehen eine große Zahl von Ausdrucksmöglichkeiten zur Verfügung: symbolische Handlungen, Drohbotschaften, Gleichnisse, Diskussionsreden, Bildreden und vor allem Visionen. In einer sehr bildhaften Vision im ersten Kapitel sieht er Lebewesen und Räder. Später erkennt er diese dann als Kerubim (im Alten Orient bekannte, geflügelte Mischwesen), mit deren Hilfe die Herrlichkeit des Herrn den Tempel verlässt.
Dieser Auszug Gottes aus dem Tempel eröffnet paradoxerweise zugleich eine tröstende Perspektive für die Deportierten: Der Herr verweilt nicht nur in Jerusalem, sondern ist auch bei den anderen Völkern und bei den unter den anderen Völkern lebenden Juden. Nicht die Zugehörigkeit zum Volk Israel oder die Nähe zum Tempel sind ausschlaggebend, sondern Gott wendet sich den in aller Welt verstreut lebenden zu und will ihr persönliches Bekenntnis zu ihm. Diese Aussage des Buches ist wichtig und wird die weitere Theologie prägen.
Nach der Zerstörung Jerusalems versucht Ezechiel vor allem das verzweifelte Volk zu trösten und verkündet ein neues Israel. Besonders detailliert ist die Vision des neuen Tempels: Mit genauen Maßangaben (Ellen, Länge, Breite, lang, breit, hoch) und Ausrichtungen an den Himmelsrichtungen (Osten, Norden, Westen) beschreibt er den Tempel mit Toren, Vorhöfen und Räumen für die Priester.
Häufig benutzt Gott die Anweisung »Menschensohn, richte dein Gesicht auf …«, um den Propheten auf eine weitere Ungerechtigkeit und Sünde hinzuweisen. Auch wir sind angehalten, Ungerechtigkeiten zu erkennen und nicht einfach wegzuschauen. Dank der christlichen Hoffnung können wir die Betroffenen zum Vertrauen auf Gott und in die Zukunft ermutigen.
[Martin Wolters]
So wahr ich lebe - Spruch GOTTES, des Herrn - , ich habe kein Gefallen am Tod des Schuldigen, sondern daran, dass ein Schuldiger sich abkehrt von seinem Weg und am Leben bleibt. Ez 33,11a
Ich gebe euch ein neues Herz .... Ich beseitige das Herz von Stein aus eurem Fleisch und gebe euch ein Herz von Fleisch. Ez 36,26
Ez 9,1-11,25 (Visionen: Zerstörung der Stadt, der Thronwagen Gottes, u. a.); Ez 18,1-32 (Schuld und Gerechtigkeit); Ez 33,1-9 (Der Prophet als Wächter); Ez 36,16-28 (Die Verheißung des neuen Lebens); Ez 37,1-14 (Die Vision von der Auferweckung Israels)
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