Man geht heute davon aus, dass die paulinischen Briefe nicht alle von Paulus selbst verfasst wurden, sondern teilweise von seinen Mitarbeitern. Doch das tut ihrer Bedeutung keinen Abbruch. Denn zum einen war es zu dieser Zeit üblich, sich unter die Autorität eines anderen zu stellen. Damit sagen die Autoren, dass sie die Lehre des Paulus authentisch vertreten. Und zum anderen entspricht es auch dem, wie Paulus selbst mit seinen Mitarbeitern umging: Er sandte sie aus, um an seiner Stelle zu sprechen und zu handeln und vertraute ihnen. Auch der Brief an die Epheser stammt wahrscheinlich nicht von Paulus selbst. Im Stil unterscheidet er sich von den anderen Schreiben, denn es handelt sich eher um einen Rundbrief in Form einer Predigt. In den sechs Kapiteln werden hauptsächlich zwei Themen angesprochen: Zunächst geht es um die Einheit der Kirche. Das Trennende zwischen Israel und den Völkern, zwischen Juden und Heiden, ist in Jesus Christus überwunden. Es gibt nur noch eine Kirche (griech. ekklesia). Dabei bezieht sich der griechische Begriff sowohl auf die einzelne Ortsgemeinde als auch die eine weltweite Kirche. Die Grenzen zwischen beiden Bedeutungen sind fließend.
Der Autor schreibt außerdem über die Auswirkungen des christlichen Glaubens auf das alltägliche Leben. Insbesondere schreibt er über die christliche Familienordnung, das Verhältnis zwischen Mann und Frau, zwischen Kindern, Vater und Mutter. Statt Bitterkeit, Wut, Zorn, Geschrei und Lästerung soll Liebe, Barmherzigkeit und Vergebung das Leben der Menschen bestimmen, »weil auch Gott euch durch Christus vergeben hat«. Auch gegenüber gesellschaftlich Untergeordneten verändert sich die Haltung im christlichen Glauben, da Jesus Christus selbst sein Leben wie ein Sklave gegeben hat.
Natürlich greift der Autor typische Gedanken und Begriffe des Apostels auf: Glaube, Geist, Gnade, Leib und Geheimnis. Geheimnis (griech. mysterion) bezieht sich auf das den Menschen (bisher) nicht Bekannte oder nicht voll Ergründbare, welches nun durch das »Wort der Wahrheit«, das Evangelium, und durch den Apostel allen offenbart wird. Als Himmel wird vor allem die überirdische, unsichtbare Welt bezeichnet. Heilige werden nicht etwa Einzelne nach ihrem Tod heiliggesprochene Vorbilder genannt, sondern die Adressaten des Briefes insgesamt: Christen, welche durch moralische Heiligkeit, durch Trennung von Sünde und Unzucht ihren Glauben an Jesus Christus leben und bezeugen.
[Martin Wolters]
Zürnt ihr, so sündigt nicht; lasst die Sonne nicht über eurem Zorn untergehen. Eph 4,26
Eph 4,1-6 (Aufruf zur Einheit); Eph 5,21-6,9 (Über die christliche Familienordnung)
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