Als einziges prophetisches Buch zählt der vom Autor selbst als Offenbarung (griech. apokalypsis) bezeichnete Text wohl zu den umstrittensten Teilen des NT. Denn ein genaues Verständnis des Buches ist aufgrund der fremden Bilder und sprachlichen Wendungen sehr schwierig. Der Autor ist ein unbekannter Seher, der sich als »Knecht Johannes« vorstellt und sich in seinem Rundbrief mit sieben Sendeschreiben jeweils »An den Engel der Gemeinde …« wendet, die er aufgrund seiner eigenen Gefangenschaft auf Patmos nicht persönlich besuchen kann. Jedes Sendeschreiben endet mit dem Satz: »Wer Ohren hat, der höre, was der Geist den Gemeinden sagt.«
Johannes berichtet von dem, was er sah (»Und ich sah«/»Dann sah ich«), und was er hörte (»ich hörte«), doch auch davon, was kommen wird. Häufig spricht eine Stimme aus dem Himmel zu ihm. Nach den Sendeschreiben werden die Visionen durch eine Szene um den Thron Gottes eröffnet. Hier treten vier Lebewesen (griech. zoon) auf, die Ähnlichkeit haben zur Vision der vier Weltreiche im alttestamentlichen Danielbuch. Außerdem treten 24 Älteste und ein Lamm mit sieben Augen in Erscheinung. Von einem Buch werden nach und nach sieben Siegel geöffnet und Engel spielen auf sieben Posaunen. Die Zahl sieben spielt eine besondere Rolle, da sie nach jüdischer Vorstellung die Zahl der Vollendung ist. Von einem Siegel ist auch bei der Kennzeichnung der Knechte Gottes die Rede, jeweils zwölftausend aus den Stämmen Israels. Zu den Erlösten zählt aber auch »eine große Schar aus allen Nationen und Stämmen, Völkern und Sprachen; niemand konnte sie zählen« (7,9). Schließlich tritt der Satan als Drache in Erscheinung. Außerdem wird zweimal von einem Tier (griech. therion) gesprochen. Es handelt sich um wilde, bestialische Tiere, die zum Bereich des Dämonischen gehören. Im abschließenden Bild des neuen Jerusalems wird die Intention des Buches besonders deutlich: Hoffnung und Trost spenden.
Die Offenbarung ist eine christliche Schrift, die fest verankert ist in alttestamentlich- jüdischen Motiven und Symbolen der Apokalyptik. Ihre Aussage lautet: Der endgültige Sieg Gottes, der im AT noch reine Zukunft ist, hat mit Jesus bereits begonnen. Der Autor will nicht den Gang der Geschichte voraussagen, sondern durch ein bildreiches Zeugnis ein großes Trostbuch schreiben. Die Bilder schlüssig zu interpretieren, ist sehr schwierig. Aber auch ohne die genaue Bedeutung zu verstehen, kann die Lektüre zu neuen Erkenntnissen führen und als Trost in schweren Zeiten dienen. Denn »wer Ohren hat, der höre, was der Geist den Gemeinden sagt«.
[Martin Wolters]
Und Gott wird abwischen alle Tränen … und der Tod wird nicht mehr sein, noch Leid, noch Geschrei noch Schmerz wird mehr sein. Off 21,4
Offb 1 (Vorwort, Einleitung und die Beauftragten des Johannes); Offb 7,1-17 (Die Bezeichnung der Knechte Gottes); Offb 21,9-22,5 (Das neue Jerusalem); Offb 22,6-21 (Zeugnis und Abschließende Mahnung des Sehers)
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